Text & Fotos: Oliver Stöhr (27.04.2015)
Die Frühjahrsflora von Osttirol gilt in Fachkreisen noch als unzureichend erforscht. Aus diesem Grund war es nicht besonders verwunderlich, dass nun im April 2015 im Zuge von Kartierungsarbeiten gleich drei neue Blütenpflanzen im Bezirk Lienz vom Verfasser entdeckt wurden. Die drei neuen Arten der Osttiroler Flora haben an sich nicht viel gemeinsam, außer dass sie alle zeitig blühen und dass ihr Vorkommen vermutlich auf Einschleppung zurückgeht. Es handelt sich dabei um folgende Arten:
Gagea minima (Zwerg-Gelbstern): Diese niederwüchsige, zu den Liliengewächsen zählende Art kommt in Gebüschen, an Waldrändern und in Lägerfluren von der kollinen bis subalpinen Stufe vor. Sie gilt im Allgemeinen in Österreich als selten und gefährdet und trat in Tirol bislang nur in den Kitzbüheler Alpen auf, wo sie zuletzt an etlichen Stellen wiederentdeckt wurde. In Osttirol wurde sie nun entlang der Bahnlinie bei Debant an Gebüschrändern in rd. 10 Pflanzen nachgewiesen. Eventuell wurde sie hier durch die Bahn oder mit Gartenaushub eingeschleppt; die Art wird aber im lokalen Gartenhandel nicht zur Kultur angeboten.
Der Zwerg-Gelbstern ist durch seine schmalen, spitz zulaufenden Perigonblätter und seine filigranen stielrunden Blätter charakterisiert und unterscheidet sich durch diese Merkmale auch vom in Osttirol noch zerstreut vorkommenden Wald-Gelbstern (Gagea lutea).
Carex praecox (Früh-Segge): Unweit der Fundortes des Zwerg-Gelbsternes und ebenso nahe der Bahn in Debant konnte diese rasig wachsende Segge auf einer Fläche von rd. 1 m² entdeckt werden. Es handelt sich um eine kalkliebende Art von Trockenrasen, trockenen Wegrändern und Bahndämmen, die ihren Verbreitungsschwerpunkt in Ostösterreich hat. Aus Tirol war die Pflanze lt. Exkursionsflora (3. Aufl.) offenbar bislang nur aus Nordtirol bekannt, genaue Fundorte dazu sind aber in der Tirol-Flora von A. Polatschek nicht nachzulesen, da die Art dort nicht erwähnt wird.
Die Früh-Segge ist ein niederwüchsiger Vertreter der Einährigen Seggen und durch braune Spelzen im Ährenstand gekennzeichnet.
Cerastium tenoreanum (Tenore-Hornkraut): Diese niederwüchsige, sehr unauffällige Art zählt zu den einjährigen Frühlings-Hornkräutern und ist typisch für trockene, lückige Wiesen sowie Bahnanlagen. Sie gilt in Österreich als zerstreut bis selten, breitet sich aber derzeit aus. Aus Tirol war sie noch nicht bekannt, sodass der Fund in Obernussdorf dem ersten Nachweis im ganzen Bundesland entspricht! Die Art tritt in Obernussdorf an einem trockenen, südexponierten Wiesenrand gemeinsam mit anderen Frühlingsannuellen auf; auch hier kann eine frühere Einschleppung durch Saatmaterial oder im Zuge von Bauarbeiten der angrenzenden Straßenmauer nicht ganz ausgeschlossen werden.
Das unscheinbare Tenore-Hornkraut mit anliegender Fruchtstielbehaarung