Text & Fotos: Eva Benedikt, Helmut Deutsch (19.9.2017)
Ein aus Asien eingeschleppter Kleinschmetterling aus der Familie der Zünsler (Überfamilie Pyraloidea) wurde kürzlich unter großem medialen Interesse erstmals in Osttirol nachgewiesen (Cydalima perspectalis, der Buchsbaumzünsler – siehe auch NAGO-Bericht vom 6.9.2017) - ein anderer, ein alteingesessener aber kaum bekannter Osttiroler, gehört zu den am meisten gefährdeten Faltern Österreichs: der Tamariskenzünsler (Merulempista cingillella). Beiden Tieren gemeinsam ist die enge Bindung an die jeweilige, auch namensgebende Raupen-Nahrungspflanze.
Tamariskenzünsler (Merulempista cingillella) (Foto: Helmut Deutsch)
In seinen mediterranen Verbreitungsgebieten lebt der Tamariskenzünsler an verschiedenen Tamarisken-Arten (Tamarix spp.), im Alpenraum entwickelt er sich ausschließlich an der Deutschen Ufer-Tamariske (Myricaria germanica). Über die Bedeutung dieser Pionier- und Indikatorpflanze dynamischer, naturnaher alpiner Flusssysteme wurde viel diskutiert und publiziert. Durch Flussverbauungen und -begradigungen sowie Kraftwerksbauten in der Vergangenheit ist sie aus nahezu allen österreichischen Bundesländern verschwunden und gilt laut der Roten Liste der Gefäßpflanzen Österreichs als „vom Aussterben bedroht“.
In Osttirol ist sie an der Isel und einigen ihrer Zubringer-Bächen zu finden. In den 90er Jahren wurde der Tamariskenzünsler in Beständen der Pflanze an der Schwarzach bei St. Jakob im Defereggental nachgewiesen (Huemer & Erlebach, 1996) – das blieb für viele Jahre der einzige bekannte Fundort in Österreich (Bestätigung durch Helmut Deutsch 2005). Fundangaben aus den Bundesländern Salzburg, Niederösterreich und Wien sind historischer Art und die Vorkommen seit langem erloschen. Im August 2005 gelang Dr. Peter Huemer vom Tiroler Landesmuseum Innsbruck der Erstnachweis für Nordtirol am Oberlauf des Inns bei Pfunds. An anderen Tiroler Flüssen mit geeigneten Tamariskenbeständen wie dem Lech oder dem Kalser Bach wurde der unscheinbare Falter bisher vergeblich gesucht.
Schmetterlingskundliche Exkursion mit Körpereinsatz - links im Bild Tamariskenbestände auf einer Insel in der Isel bei St. Johann im Walde (Foto: Eva Benedikt)
Umso erfreulicher war die Entdeckung einer weiteren Population des seltenen Tieres auf den Inseln der Iselaufweitung bei St. Johann im Walde im Juni 2017 durch die Lepidopterologen Helmut Deutsch und Toni Mayr. In den alten, vitalen Beständen der Ufertamariske konnten einige Falter gefangen werden. Auch eine Raupe wurde eingetragen und in wenigen Wochen zum Falter durchgezüchtet. Die Art scheint somit an diesem Fundort 2 Generationen pro Jahr auszubilden, was auch von Populationen aus Südtirol bekannt ist.
Die Fortpflanzungs-Biologie ist sehr komplex: in den Anfangsstadien fressen die Raupen an den Blüten und versponnenen Samenständen der Tamarisken, verlassen diese aber im letzten Larvalstadium im Verlauf des Spätsommers und bohren sich zur Überwinterung in den unteren Teil der holzigen Stämmchen, worin sie sich im Frühjahr verpuppen. Ganz junge Tamarisken-Bestände mit zarten Pflanzen sind somit vermutlich ungeeignet für den Falter.
Raupe des Tamariskenzünslers (Foto: Helmut Deutsch)
Das ideale Habitat besteht naturgemäß immer nur eine beschränkte Zeit – entweder es kommen andere Laubgehölze wie Erlen oder Birken auf, was langsam zum Verschwinden der lichtliebenden Tamariske führt. Oder der Fluss gestaltet sein Bett um, reißt Inseln und Uferbereiche samt Vegetation mit. Wie sich der kleine Schmetterling verbreitet und neue Lebensräume erreicht ist nicht erforscht. Die Falter sind keine guten Flieger und verlassen kaum ihr heimatliches Gebüsch. Denkbar wäre eine Verfrachtung durch den Wind sowie eine Verbreitung als Raupe oder Falter an weggespülten Pflanzen, die anderswo anlanden.
Die Entdeckung des Tamariskenzünsler in diesem Bereich der Isel legt den Schluss nahe, dass Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen neben ihrem positiven Effekt hinsichtlich Hochwasserschutz und Schaffung von Naherholungsgebieten auch großen Einfluss auf die Erhaltung und Wiederbelebung kleiner und großer Ökosysteme haben - in diesem Fall des Mikrokosmos eines Kleinschmetterlings.
Auch in kleinsten Strukturen lässt sich Schönheit finden – Flügel des unscheinbaren Falters (Foto: Helmut Deutsch)