Text & Fotos: Oliver Stöhr (23.5.2016)
Per Zufall konnte Mitte Mai ein seltener Milchstern von Oliver Stöhr entdeckt werden. Im Zuge einer Fahrradtour durch Lienz fielen am Rand der Tristacherstraße rd. 60 Pflanzen eines Hyazinthengewächses in einer Rabatte auf, die der Autor von Weingärten um den Neusiedlersee in Erinnerung hatte. Nach eingehender Untersuchung der Feinmerkmale wurde die Vermutung bestätigt: es handelt sich um den Grünen Honoriusmilchstern (Honorius boucheanus), der früher als Ornithogalum boucheanum bezeichnet wurde.
Der Grüne Honoriusmilchstern ist neben dem Nickenden Honoriusmilchstern (Honorius nutans) einer von zwei in Österreich vorkommenden, relativ ähnlichen Arten der Gattung Honorius. Er ist durch dichte Blütentrauben, die bis 50 cm hoch werden, gekennzeichnet. Als frühjahrsblühende Zwiebelpflanze (Geophyt) blüht er von April bis Mai und zieht danach relativ rasch ein. Seine bevorzugten Lebensräume sind alte Gärten, Auen, Gebüsche, Äcker und Weingärten. Er ist auf Tieflagen beschränkt und wurde gemäß der Österreicherischen Exkursionsflora (3. Aufl.) bislang in Burgenland, Wien, Niederösterreich, Steiermark, Tirol sowie unbeständig in Oberösterreich und Kärnten nachgewiesen. Nach der einschlägigen Literatur waren jedoch bislang keine Funde für Osttirol bekannt, sodass der jetzige Nachweis in Lienz den Erstfund für diesen Bezirk darstellen dürfte. Laut der aktuellen Roten Liste ist er für Österreich als "stark gefährdet" (Stufe 2) angegeben, obwohl er in Teilen des pannonischen Raumes offenbar in Ausbreitung ist.
Was den Status des nunmehr entdeckten Vorkommens in Lienz anbelangt, so darf mit einiger Wahrscheinlichkeit von einer relativ jungen Einschleppung über Gartenerde ausgegangen werden. Weniger wahrscheinlich ist, dass dieser Milchstern hier bewusst kultiviert wurde, wird er heute doch nur mehr sehr selten im Gartenhandel angeboten. Zudem tritt auch der zweite, in Osttirol vorkommende und hier weiter verbreitete Milchstern, der Gewöhnliche Dolden-Milchstern (Ornithogalum vulgare), ebenfalls u.a. in stark anthropogen geprägten Lebensräumen wie Rasen, Parks und Rabatten auf.
Ausschnitt aus dem Blütenstand des Grünen Honoriusmilchsternes.
Abgeblühte Triebe des Grünen Honoriusmilchsternes mit bis zu 2 cm breiten, bereits vergilbenden Blättern in der Tristacherstraße in Lienz (als Beweis für den Fotostandort ist ein Lienzer Autokennzeichen mitabgebildet ;-)).
Einzelblüte des Honoriusmilchsternes mit grünlichen Mittelstreifen auf der Aussenseite der Perigonblätter.